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Eine Betrachtung des Rosenkranzgebetes
von Pfarrer Dirk Grothues, Münster


Am 16. Oktober 2002 hat Papst Johannes Paul II. ein apostolisches Schreiben über den Rosenkranz herausgegeben. Im kirchlichen Amtsblatt füllt es 17 Seiten. Der Tag seiner Veröffentlichung war der Tag, an dem der Papst das 25. Jahr seines Pontifikats begann. Nach dem Wunsch und Willen des Oberhauptes der Kirche soll die Zeit vom 16. Oktober 2002 bis zum 16. Oktober 2003 ein Jahr des Rosenkranzes sein.

Was macht dieses Gebet so bedeutsam, dass der Heilige Vater es dem ganzen Volk Gottes so sehr ans Herz legt? Ich will versuchen, das in vier Eigenschaften aufzuzeigen.

1. Der Rosenkranz ist ein Kindergebet.
Wenn das Wort Jesu gilt: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen!, dann ist dieses Gebet auch ein Gebet für alle Erwachsenen. Es kommt uns sehr entgegen, weil es so kinderleicht ist.
Wie viele Menschen verstummen heute, wenn sie beten sollen, ja auch wenn sie beten wollen! Sie können es kaum noch. Da ist der Rosenkranz wie ein Seil, an dem sie sich festhalten können.
Er enthält die Grundgebete der Christenheit: Das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Ave Maria und das Ehre sei dem Vater. Damit ist der Rosenkranz so etwas wie eine Eiserne Ration, mit der sich auch Zeiten geistlicher Dürre überstehen lassen. Nehmen wir die 15 Geheimnisse hinzu, so bietet uns der Rosenkranz zugleich eine Kurzfassung des Evangeliums. Wir erinnern uns damit an die grundlegenden Heilstaten, die Gott durch Jesus Christus gewirkt hat – angefangen von seiner Menschwerdung über sein Leben und Leiden bis hin zu seiner Verherrlichung.
Von Anfang an hat man dieses Gebet den marianischen Psalter genannt. Die 150 Ave Maria entsprechen den 150 Psalmen des Breviergebetes. Von diesem kirchlichen Stundengebet waren die Laien ja weitgehend ausgeschlossen, nicht zuletzt deshalb, weil die allermeisten nicht lesen konnten. Der Marianische Psalter hingegen ist schnell auswendig gelernt und kann von jedermann leicht gebetet werden. Er ist tatsächlich kinderleicht! Dennoch kann er den Beter sehr in die Tiefe führen. Damit komme ich zur zweiten Eigenschaft:

2. Der Rosenkranz ist ein betrachtendes Gebet.
Betrachtend beten heißt: Ich bete mit den Augen! Ich schaue mir an, was ich bete. Die Geheimnisse des christlichen Glaubens sind ja keine abstrakten Wahrheiten. Die Menschwerdung des Wortes Gottes aus der Jungfrau Maria hat eine sichtbare Seite. Sie ist die Offenbarung. Man kann sie anschauen, sofern der Glaube die Augen erleuchtet.
Im Kind in der Krippe erkenne ich den Schöpfer der Welt. Er hat unsere menschliche Natur angenommen. Er nimmt teil an unserem Leben und Schicksal. „Die Liebe tut solche Dinge“ hat der weise Romano Guardini dazu gesagt. Ich kann, während die Perlen des Rosenkranzes durch meine Finger gleiten, das Leben und Sterben, die Auferstehung und Verherrlichung Christi wie einen Film anschauen.
Menschen, die im geistlichen Leben erfahren sind, können in diesen Bildern des Heiles stundenlang verweilen. Mit diesen Bildern ist man niemals fertig. Eine Frau sagte mir einmal: „Für zwei Gesätze vom Rosenkranz brauche ich eine ganze Stunde. Ich kann mich gar nicht satt sehen.“ Wenn ich meinen Augen diesen Spielraum lasse, ist auch das Betrachten leicht. Das Andächtigsein beim Rosenkranz besteht ja nicht darin, dass ich immer an das denke, was mein Mund an Worten spricht. Eine solche Konzentration bringt kein Mensch zustande. Andächtig betrachtend beten heißt vielmehr: ich male mir das jeweilige Geheimnis aus, das mir das Gesätz vorstellt. Ich setze bewusst meine Phantasie ein wie ein Künstler, der ein Gemälde entwirft. Ich begebe mich z.B. mit den drei Jüngern ganz in die Nähe Jesu, der im Ölgarten Blut schwitzt. Ich schaue ihn an in seiner Todesangst, die er auf sich genommen hat, damit ich meine eigene Todesangst überwinden kann durch das Vertrauen auf ihn.

3. Der Rosenkranz ist ein christozentrisches Gebet.
Im Mittelpunkt steht immer Jesus Christus. Marianisch ist dieses Gebet insofern, als ich mit Maria auf Jesus schaue. Ich begebe mich in ihre Nähe. Sie hat seine Menschwerdung, sein Leben und Wirken, seine Passion und sein Sterben und schließlich auch seine Verherrlichung so intensiv erfahren und erlebt, dass es für uns keine bessere Begleiterin bei der Betrachtung Jesu gibt als sie.

Nun hat der Papst den Rahmen, in dem wir Jesus beim Rosenkranzbeten betrachten können, erheblich ausgeweitet, indem er uns auf die lichtvollen Geheimnisse aufmerksam gemacht hat. Die fünf Gesätze, die er formuliert hat, sind dabei eher zufällig. Denn das ganze Leben Jesu, wie es uns die vier Evangelien überliefert haben, ist lichtvoll! Somit sollte auch das ganze Leben Jesu Gegenstand unserer Betrachtung sein. Der Papst hat uns einen neuen Weg eröffnet, wie wir im Rosenkranz jede Seite des Evangeliums anschauen, betend betrachten und uns vergegenwärtigen können.
Ich habe mich schon früher gewundert, warum das öffentliche Leben Jesu in den Gesätzen des Rosenkranzes nicht vorkommt. Denn nicht nur durch seine Kindheit und seine Passion hat er uns erlöst, sondern alles, was er gesagt und getan hat, sein ganzes menschliches Leben hat uns erlöst.

Jesus hat Kranke geheilt, Dämonen ausgetrieben, Hungernde gesättigt, Frieden gestiftet, Tote erweckt, Sündern vergeben und durch sein ganzes Wirken gezeigt, dass das Reich Gottes angebrochen ist. Wenn wir uns in Ruhe anschauen, wie Jesus den Blinden von Jericho heilt, die Tochter des Jairus zum Leben erweckt, wie er sich nicht scheute, mit Zöllnern und Dirnen Tischgemeinschaft zu halten, wie er den Sturm besänftigt und übers Wasser geht, den Streit zwischen seinen Jüngern schlichtet und die Pharisäer offen zurechtweist – wenn wir Jesus so anschauen, wie er gelebt und gewirkt hat, dann wird er uns mit der Zeit sehr vertraut.

So ist der Rosenkranz ein ausgezeichneter Weg, um Jesus immer besser kennen zu lernen. Das macht es mir dann auch leicht, mich im persönlichen Gebet an ihn zu wenden.

4. Der Rosenkranz ist schließlich auch ein aktuelles Gebet.
Wir können mit ihm alles verbinden, was uns in unserem Leben bewegt und in unserer Welt beschäftigt. Wir können jedes Gesätz mit einem Gebetsanliegen verbinden, das uns am Herzen liegt: Frieden und Gerechtigkeit, Versöhnung, Freiheit. Wir können beten für Menschen, die uns nahe stehen oder deren Schicksal uns zu Herzen geht. So bringt der Rosenkranz Himmel und Erde zueinander, schüttet Gräben zu, die Menschen und Völker voneinander trennen, verbindet miteinander, was sich fremd und feindlich gegenübersteht.
Der Rosenkranz hat eine lange Tradition als Gebet in Not und Bedrängnis: Die Türken vor Wien! Die Seeschlacht bei Lepanto! Heute geht es uns nicht mehr um den Beistand Gottes für den einen und gegen den anderen. Aber es geht z.B. um den Religionsfrieden zwischen Muslimen und Christen in Afrika, zwischen Juden und Muslimen im Heiligen Land, zwischen Hindus und Muslimen in Indien. Es geht um die Überwindung des Terrorismus und um das Austrocknen seiner Wurzeln, um die Behebung der bittersten Armut in der Welt. Wir wollen die AIDSseuche besiegen. Wir sorgen uns um den Bestand vieler Familien, die zusammenbrechen; um die zahlreichen Ehen, die ihren inneren Halt verlieren. Heute entsetzt sich die Welt darüber, dass Menschen geklont werden. Wer steht auf gegen Rauschgift und Drogenhandel, der die Jugend zu ruinieren droht? Geredet und geschrieben wird darüber mehr als genug. Aber wer betet in diesen aktuellen Anliegen?
Nur dem Beter kann es noch gelingen, schrieb Reinhold Schneider unter dem Druck der Katastrophen des letzten Jahrhunderts. Nur den Betern kann es noch gelingen, die schlimmen Folgen abzumildern, die auf uns zukommen, wenn wir selbstherrlich alles machen was wir können, ohne auf die Grundgesetze zu achten, die Gott uns in seiner Weisheit ins Gewissen geschrieben hat, damit das Leben gelingt.

Der Rosenkranz ist ein kinderleichtes Gebet. Man kann ihn allein und in der Gemeinschaft beten. Er lässt sich überall beten: in der Kirche, auf der Straße, im Wald. Er ist ein betrachtendes Gebet, das den Kopf nicht belastet. Er erlaubt mir, meine Phantasie einzusetzen, und er erwärmt das Herz. Der Rosenkranz verbindet mich mit dem Leben Jesu und stärkt meinen Glauben. Ich kann die aktuellen Nöte unserer Zeit in ihn hinein nehmen. Er stellt mir vor Augen, was Gott für uns getan hat und noch immer tut. Und er motiviert mich dazu, meinen kleinen Beitrag zu leisten in dem gewaltigen Drama von Heil und Unheil, in das wir verwickelt sind.

Liebe Mitchristen, Sie alle beten den Rosenkranz. Aber lieben Sie ihn auch? Und haben Sie schon alle seine Vorzüge entdeckt? Können Sie aus Überzeugung und aus eigener geistlicher Erfahrung andere dazu einladen, es einmal mit diesem kinderleichten, betrachtenden, christozentrischen und aktuellen Gebet zu versuchen?

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